Einsatz von Ferrat und Ozon zur Behandlung kommunalen Abwassers im Pilotmassstab – Schlussbericht

EPFL, 2015

Schlussbericht von S. Zimmermann-Steffens und U. von Guten (EPFL) und D. Thonney (SIGE) im Auftrag des BAFU.

Zusammenfassung

Der Ausbau von Abwasserreinigungsanlagen (ARAs) mit einer dritten Reinigungsstufe wird zur Zeit intensiv diskutiert, um den Eintrag von Mikroverunreinigungen wie Pharmazeutika, Bioziden und Pestiziden in die Gewässer signifikant zu verringern. Der Einsatz von Ozon oder Pulveraktivkohle eliminiert eine breite Palette an Mikroverunreinigungen und ist technisch machbar. Ferrat ist dagegen ein relativ neues vielversprechendes Oxidationsmittel. In Laborversuchen konnte gezeigt werden, dass es ähnlich effizient wie Ozon Mikroverunreinigungen oxidiert und z.B. hormonelle Wirkungen von Mikroverunreinigungen beseitigt. Ferrat ist Eisen in der Oxidationsstufe 6+ (Fe(VI)) und wird durch die Oxidation von Mikroverunreinigungen und anderen Abwasserbestandteilen selbst zu Fe(III) reduziert. In dieser Form wirkt es anschließend als Fällungsmittel und entfernt Phosphat aus dem Abwasser. Die größte Herausforderung beim Einsatz von Ferrat liegt in der großtechnischen Herstellung. Ferratsalz muss strikt unter Luftabschluß transportiert und gelagert werden. Die Herstellung vor Ort in wässriger Lösung und direkte Anwendung ist somit die bessere Lösung. In diesem Pilotversuch wurde das Verfahren einer US-amerikanischen Firma getestet, die Ferrat direkt vor Ort aus einer Eisenlösung durch Oxidation mit Chlor unter stark basischen Bedingungen herstellt. Die Zugabe der zur Oxidation von Mikroverunreinigungen nötigen Ferratdosen erhöhte den pH des Abwassers jedoch aufgrund des hohen Laugeanteils in der Ferratlösung drastisch auf bis zu pH 12. Dieser musste anschliessend wieder durch eine Kombination aus CO2-Gas und Essigsäure auf ca. pH 7.5 eingestellt werden. Ziel der Studie war es, die technische Machbarkeit der Ferratbehandlung als dritte Reinigungsstufe kommunalen Abwassers zu untersuchen, und die Effizienz des Verfahrens im gleichen Abwasser mit der Effizienz der Ozonung zu vergleichen.

Insgesamt wurden sechs Kampagnen unter nitrifizierenden oder nicht-nitrifizierenden Bedingungen durchgeführt, wobei die beiden Oxidationsmittel auf gleicher molarer Dosis eingemischt wurden. Die Konzentrationen der Mikroverunreinigungen wurden spurenanalytisch mittels offline SPE-LC-MS/MS bestimmt. Die Ergebnisse zeigen, dass bei gleicher molarer Dosis schnell reagierende Mikroverun- reinigungen wie z.B. Aniline (Diclofenac) oder Doppelbindungen (Carbamazepin) in beiden Verfahren vergleichbar gut oxidiert werden. Bereits die geringste getestete Dosis von 7.4 mmol O3 oder Fe(VI) g-1 DOC oxidierte Diclofenac und Carbamazepin zu > 80%. Diese Dosis entspricht 0.36 g O3 g-1 DOC oder 0.40 g Fe(VI) g-1 DOC. Die Reaktionskonstanten der Mikroverunreinigungen mit Ferrat sind zwar 3-4 Grössenordnungen geringer als diejenigen mit Ozon, Ferrat gleicht dies jedoch durch eine größere Exposition (Konzentration × Zeit) wieder aus. Im Gegensatz dazu wurden langsam reagierende Mikroverunreinigungen wie z.B. Benzotriazol oder Röntgenkontrastmittel durch Ozon stärker oxidiert, Iomeprol als Vertreter der Röntgenkontrastmittel bis zu 60% durch Ozon, und bis zu 20% durch Ferrat. Dies ist bei der Ozonung auf die zusätzliche Oxidation durch Hydroxylradikale zurückzuführen, die bei der Anwendung von Ferrat nicht entstehen. Allerdings wurde bei der pH- Korrektur innerhalb weniger Sekunden bereits ein größerer Anteil der langsam reagierenden Mikroverunreinigungen durch Ferrat oxidiert, als dies während der späteren Kontaktzeit bei stabilem pH 7.5 der Fall war. Ob dies durch pH Effekte aufgrund einer nicht optimalen Einmischung der Essig- säure oder der Ferratlösung der Fall war, wird zur Zeit untersucht. Dabei könnte ein bisher unbe- kanntes sekundär gebildetes Oxidationsmittel entstanden sein, das auch oxidationsresistente Mikroverunreinigungen oxidiert. Der Nitrifizierungsstatus der vorgeschalteten Biologie hatte keinen Einfluss auf die Effizienz der Verfahren.

Zusätzlich wurde die Phosphatfällung untersucht. Ferratdosen, die zur fast vollständigen Oxidation der schnell reagierenden Mikroverunreinigungen führten (0.57 g Fe(VI) g-1 DOC bzw. 5.2 mg Fe(VI) L-1), reichten bereits aus, um die Anforderungen für die Einleitung von Abwasser in Gewässer von 0.8 mg PO4-P L-1 zu erfüllen. Die Einsparungen an Fällmitteln bei der Anwendung von Ferrat wurden in den Kostenvergleich der beiden Verfahren einbezogen. Die Zunahme an NDMA aus der Gruppe derN-Nitrosamine war im Schweizer Vergleich sowohl bei Ozon als auch bei Ferrat relativ hoch, im internationalen Vergleich jedoch realistisch. Dies könnte an speziellem Industrieabwasser oder auch an der fehlenden Entfernung von Öl in der Vorklärung der ARA Aviron gelegen haben. Für Bromat wurden im Ablauf des Ferratreaktors hohe Werte gefunden, die auf eine Verunreinigung des Javelwassers zurückgeführt werden konnten, das zur Herstellung der Ferratlösung eingesetzt wurde. Diese Werte können durch einen einfachen Herstellerwechsel drastisch gesenkt werden. Aus Laborstudien ist bekannt, dass Ferrat kein Bromat bilden kann. Im Ablauf der Ozonung wurden maximal 4,5 μg Bromat pro Liter gefunden, so dass der Wert sogar unter dem Trinkwassergrenzwert lag.

Dies bedeutet, dass Ferrat ein vielversprechendes Oxidationsmittel mit einigen bedeutenden Vorteilen gegenüber Ozon für die Abwasserbehandlung ist. Es bildet kein Bromat, fällt gleichzeitig zur Oxidation von Mikroverunreinigungen Phosphat und benötigt ein einfacheres Sicherheitssystem als die Anwendung des toxischen Ozons. Ein Nachteil ist die für den Grosseinsatz noch stark zu optimierende Herstellung: die dabei verwendete Lauge muss vor Zugabe in den Abwasserstrom zwingend neutralisiert werden. Die nasschemische Herstellung produziert dabei bei gleicher Laugenkonzentration höhere Ferratkonzentrationen als die elektrochemische Herstellung und wird daher bevorzugt. Ein weiterer Nachteil ist das Fehlen der Bildung von Hydroxylradikalen, die auch gegenüber Ozon und Ferrat resistente Mikroverunreinigungen abbauen können. Das vermutete, aber noch nicht aufgeklärte sekundäre Oxidationsmittel scheint zur Oxidation resistenter Mikroverun- reinigungen beizutragen, aber nicht so stark wie Hydroxylradikale. Ein weiterer wichtiger, aber einfach durchführbarer Punkt ist der Einsatz von Javellösungen, die möglichst wenig mit Bromat belastet sind. Abschliessend ergab eine vorsichtige Kostenschätzung für den potentiellen Grosseinsatz von Ferrat, dass sich die Betriebs- und Investitionskosten in einem ähnlichen Bereich wie die Kosten für den Einsatz der Ozonung bewegen werden.

  • Publikationsjahr:  2015

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